AP3 & SP3 – Die dritte Generation?

In die früher eher langweilige Branche der klassischen Saxophonmundstücke kommt immer mehr Bewegung. Mit der Optimum-Serie brachte Vandoren seinerzeit einen starken Konkurrenten für Selmer auf den Markt (siehe meine Testreihe C*V5Optimum – der Klassik–Code), was wiederum mit dem Selmer Concept gekontert wurde. Dieses wird im Gegensatz zu den Vorgängern nur mit einer einzigen Bahnöffnung angeboten, doch dieses „Friss oder stirb“-Angebot mit seinem offeneren Spielgefühl konnte wiederum viele professionelle Spieler überzeugen, was auch die neugierige Basis zum Systemwechsel motivierte. Nun war also Vandoren wieder am Zug, und siehe da: Mit der Profile-Serie, derzeit das AP3 und sein kleiner Bruder SP3, hat man in der Rue Lepic ein Mundstück entwickelt, das alles mitbringt, um wieder die Führung in diesem wichtigen Segment zu übernehmen.

Zunächst sei die Frage gestattet, worin der Grund für solche Neuentwicklungen zu suchen ist. Eigentlich verbindet man mit dem klassischen Genre ja einen konservativen Geist, zumindest mit Blick auf die Tonbildung. Doch bei genauer Betrachtung wird schnell klar, dass sich insbesondere beim Saxophon viel getan hat: Neue Spieltechniken wie Slapzunge oder gar das Beatboxing auf dem Saxophon, erfunden von Derek Brown, aber auch höhere Ansprüche der Komponisten bezüglich High Notes und Dynamik machen die neuen Mundstücke reizvoll und manchmal sogar notwendig. Wenn von Komponisten die Grenzen der Dynamik neu ausgelotet werden, kann das Material nicht zurückstehen. Die Anforderung, ultraleise und wahnwitzig laute Passagen mit einem einzigen Mundstück und Blatt umzusetzen, bleibt eine echte Herausforderung – wer Material liefern kann, das diesen Prozess spürbar erleichtert, hat schnell die Nase vorn.

Innenansicht des SP3

Hier liegt sicherlich einer der Gründe, weshalb das Selmer Concept so erfolgreich ist und die Tatsache, dass Vandoren nun ein ganz ähnliches Design gewählt hat und die Profile-Serie ebenfalls nur mit einer Bahnöffnung anbietet, bestätigt das. Allerdings nur äußerlich. Die inneren Qualitäten der Serie sind andere. Bereits der erste Ton vermittelt bezüglich der Zentrierung des Tons ein völlig neues Gefühl von Sicherheit. Die Luft wird beinahe wie auf Schienen geführt, die Kontrolle ist maximal und das in allen Dynamikstufen. Der entstehende Ton – getestet wurde mit Vandoren V21 Stärke 3 auf Selmer SA80II – ist absolut dicht, kompakt, trägt ungemein weit und ist enorm differenziert. Im Vergleich erscheint das AL3 etwas opulenter und breiter, aber eben auch weniger differenziert, während das Selmer Concept dagegen beinahe schon grob klingt. Vandoren spricht bei der Profile-Serie von „hervorragender Klangästhetik durch ein neues Design der Bahn in der dritten Generation“. Wir sind uns einig, dass das Texten zu solchen Neuentwicklungen keine dankbare Aufgabe ist, aber tatsächlich spielt sich dieses Mundstück völlig anders und gleichsam vertraut. Die Ansprache ist unglaublich direkt, im Pianissimo ist so gut wie kein Rauschen mehr hörbar und wenn es um Lautstärke geht, so ist man mit AP und SP ebenfalls ganz weit vorn.

Der mittenreiche Klang geht allerdings ein wenig auf Kosten der Brillanz in den Höhen, was wiederum eine Frage der persönlichen Klangvorstellung ist. Hier könnte man mit anderen Blättern arbeiten, doch generell ist der Klang keinesfalls dumpf, sondern eher absolut linear. Das Sopranmundstück fällt klanglich etwas heller aus, bleibt aber ebenfalls in diesem linearen Korridor. Im Altissimo-Register sind beide Mundstücke das, was man eine Waffe nennt: Wer sich hier sicher fühlt, bekommt mit der Profile-Serie ein unglaublich gutes Werkzeug. Das gilt auch für Multiphonics, die selbst bei schwierigen Klängen deutlich besser „anspringen“ als bei AL3 und Selmer Concept. Für mich ist das Vandoren Profile also eine der interessantesten Neuentwicklungen der letzten Jahre und mein zukünftiges Standard-Mundstück bei Vierfarben Saxophon. Ich bin gespannt, ob und wenn ja wann die Ergänzung in die tiefe Lage erscheinen wird – Tenor- und Baritonsaxophon hätten ein solches Mundstück ebenfalls verdient!

Ligatur Vandoren Klassik

Es war einmal vor langer Zeit, als das Wünschen nicht immer geholfen hat, da mussten Klarinettisten und natürlich auch Saxophonisten ihre Blätter noch mittels einer festen Schnur am Mundstück befestigen. Das dauerte lang, erforderte einige Geschicklichkeit und nervte insbesondere in Stresssituationen, wenn das Blatt etwa aufgrund eines Risses während der Aufführung gewechselt werden musste.

Dann traten Erfinder auf den Plan und reichten den Saxophonisten einfache, aber wirksame Ligaturen, die zwar nicht sonderlich sensibel, dafür aber einfach zu handhaben waren. Den Klarinettisten war das zunächst zu simpel, während Saxophonisten Neuerungen gegenüber auch heute noch aufgeschlossener sind und diese Ligaturen sogleich freudig einsetzten. Wieder vergingen viele Jahre, bis irgendwann jemand auf die Idee kam, die oftmals ungelenk anmutende Verbindung von Blatt und Mundstück akustisch und mechanisch zu hinterfragen. Die seit den 60er Jahren konstant steigende Zahl der Saxophonisten machte eine Fertigung im größeren Stil attraktiv und so entstand Schritt für Schritt eine ganze Reihe unterschiedlicher Konzepte, von denen jedes Einzelne unterschiedlichen Einfluss auf die Schwingung des Blattes und damit auf den Klang ausübte.

Von der Bandligatur aus Leder über komplexe Systeme aus Metall, von denen die Optimum-Ligatur der Firma Vandoren mit ihren drei unterschiedlichen Kontaktflächen und der trickreichen Art und Weise der Befestigung des Blattes sicherlich die längste Entwicklungsarbeit erforderte, bis zu spartanischen Ideen wie der Blattschraube von Pascal Brancher, der einfach nur darauf baut, den Kontakt von Ligatur und Mundstück auf ein Minimum zu reduzieren, reicht seitdem das breite Angebot, aus dem Saxophonisten wählen können.

Und auf einmal dreht Vandoren das Rad der Geschichte zurück. Aber nur ein wenig. Mit der Stoffligatur Klassik (was den Kreis der Anwender nur scheinbar verengt) haben die findigen Franzosen nämlich bereits vor ein paar Jahren eine Blattschraube auf den Markt gebracht, die nicht ganz zufällig optisch an die Zeit der Anfänge des Saxophons erinnert. Allerdings entfällt nun lästiges Gefuddel mit der Schnur– stattdessen hat man aus dieser eine Art konisch zulaufender Hülle gewoben, die man über Mundstück und Blatt stülpen und anschließend mittels zweier Schnüre ein wenig festziehen kann. Das war in meinem Fall der Punkt, an dem ich mich an die Argumente zahlreicher Ligatur-Päpste erinnerte, die auf maximale Schwingungen durch minimalen Kontakt zum Mundstück schwören, während dieser „Strumpf“ alles andere als einen geringen Kontakt suggeriert. Mein Kollege bei Vierfarben Saxophon berichtete hingegen von seiner Erfahrung als Juror beim Saxophonfestival in Krakau, dass just alle Finalisten und Gewinner mit exakt dieser Ligatur angetreten wären und damit hinreißend klingen würden. Zufall?

Sagen wir es mal anders: Wer in die Grenzbereiche des musikalisch Machbaren vordringt, ist um jede Erleichterung froh, die das Material verschaffen kann. Die Ligatur sitzt an einer entscheidenden Schnittstelle zwischen Musiker und Instrument und prägt nicht nur Ansprache und Frequenzband, sondern auch den Grundklang – da probiere ich das Ding doch einfach mal aus. Geliefert wird die Ligatur auf einem kleinen Stück Holz mit einer eher rustikal anmutenden Lederkappe, die den Vintage-Charakter wohl unterstreichen soll und tadellos passt. Vandoren verspricht die leichte Montage, was ich nur eingeschränkt bestätigen kann. Man muss das gute Stück sehr genau über das Mundstück (in meinem Fall das Vandoren AL 3) stülpen, mit den Fingerspitzen in Richtung Bogen und dann mit den Schnürchen nach Art eines Korsetts nachziehen. Das sorgt dennoch nicht für festen Halt, denn schon beim ersten Nachstimmen verrutscht die Ligatur und mahnt den Saxophonisten zum Nachfetten des Korks. Hier wird das Blatt wirklich nur minimal an den Tisch des Mundstücks gedrückt.

Was mechanisch eher anstrengend ist, wirkt sich für Freunde des warmen und obertonreichen Klangs akustisch allerdings vorteilhaft aus. Die Ansprache ist ausgezeichnet, bei perfekter Justierung des Blattes sogar noch etwas besser als bei der Optimum-Ligatur und der Klang unfassbar weich, rund, voll und dennoch nie dumpf oder muffig – für Klassik-Spieler also definitiv ein Angebot, das man nicht ausschlagen sollte. Multiphonics sprechen besser an, Top-Tones ebenfalls und ich bin verblüfft, wie groß der klangliche Unterschied ausfällt! Allerdings sollte man nicht von „besser“ oder „schlechter“ sprechen. „Anders“ trifft es sehr genau, denn als Solist im Orchester würde ich aufgrund des helleren Klangs durchaus die Optimum-Ligatur vorziehen und bei den Brancher-Mundstücken passt die Ligatur des Erbauers einfach perfekt. Die Vandoren Klassik-Ligatur bietet nun allerdings eine weitere Option, nämlich den vermutlich wärmsten Klang, den eine Ligatur überhaupt formen kann. Und das ist einfach toll. Vorausgesetzt, das Mundstück passt zu dieser Klangidee. Der oben genannte Kollege will allerdings auch schon auf seinem Jazz-Mundstück festgestellt haben, dass diese Ligatur hochinteressante Ergebnisse bringt. Und da sein erster Tipp so gut war …

Saxophonblätter Vandoren Serie V21

Wenn ein „Schwergewicht“ der Branche wie Vandoren ein neues Blatt veröffentlicht, kann sich der Hersteller der Aufmerksamkeit der Saxophonisten sicher sein. In diesem Fall wohl ganz besonders, denn zuvor sorgte die Neuentwicklung V21 bereits bei den Klarinettisten für reichlich positives Echo und so war man nun neugierig, wie sich die Blätter auf dem Saxophon machen würden. Generell muss man sich als Saxophonist bei Vandoren ja nicht unbedingt Sorgen machen, zu wenig Auswahl zu haben. Klassische Saxophonisten mussten allerdings lange auf eine interessante Alternative zum Longplayer „Vandoren blau“ (gern auch als „Paris“ bezeichnet, weil einfach nichts anderes auf der tiefblauen Packung zu lesen ist) warten. Das ein paar Jahre zuvor veröffentlichte V12 konnte offensichtlich nicht nachhaltig bei den anspruchsvollen und meist recht konservativen „Klassikern“ punkten und so war die Spannung bereits im Vorfeld groß, wie sich nun die V21-Serie schlagen würde – auch bei mir.

In Sachen Packungsdesign macht den umtriebigen Franzosen so schnell niemand etwas vor und auch diesmal hat man wieder eine wirklich schön anzusehende Verpackung präsentiert.

Dann heißt es wie immer den Kunststofffaden ziehen, Packung auf, Blatt heraus, Folie aufreißen und das Blatt aus der Kunststoffhülle nehmen. Seit der Einführung dieses Konzeptes entsteht so viel überflüssiger Abfall, das geht besser. Das Blatt selbst hat vor dem Abstich keine Stufe, sondern ist nur mit einer feinen Rundung eingeschnitten. Für Rico-Spieler: Das Blatt ist also „unfiled“ und im Vergleich mit anderen durchaus ungewöhnlich anzusehen. Im Mund fühlt sich das Ganze angenehm und überhaupt nicht grob an, doch hier sind und bleiben die beinahe unwirklich fein polierten AW-Blätter unerreicht. Aber auch das ist aber eigentlich völlig unwichtig, denn Blätter sollen primär eines, nämlich gut klingen.

Und das tun sie, diese V21-Blätter! Klanglich etwas feiner und mit weniger Frequenzanteil in den tiefen Mitten als die klassischen Vandoren-Blätter ist die Ansprache in sämtlichen Lagen bis weit ins Altissimo-Register absolut überzeugend, der Rauschpegel im Pianissimo nicht mehr wahrnehmbar, die Obertöne sind spürbar präsenter, ohne dass auch nur der Anschein von aufdringlicher Härte entstehen könnte. Selbst nach 120 Minuten im Dauerbetrieb lässt die Spannung im Blatt nicht nach und 24 Stunden nach dem Trocknen fühlt es sich beinahe wie neu an. Im direkten Vergleich (Stärke 2,5 ist mein persönliches Gardemaß) mit den von mir bisher gespielten Klassik-Blättern sowie mit Brancher Opera 2,5 ist das V21 mit Abstand das eleganteste Produkt, klingt völlig ausgeglichen und wirkt auf mich beinahe unwirklich gut. Keine Spur von Grobheit im Klang, keine rustikalen Frequenzen, die das elegante Klangbild stören. Schockierend für alle Vandoren-Schmäher: 8 von 10 Blättern waren auf Anhieb (!) zu verwenden, nur zwei erschienen mir so muffig, dass ich sie zunächst ins Lager verbannt habe. Getestet wurde sowohl mit Vandoren AL3 als auch mit Selmer C* und Vandoren A35, die Ligatur war in allen drei Fällen eine Vandoren Optimum, wie ich sie seit vielen Jahren verwende.

Nun kommen wir zu einem weiteren verblüffenden Punkt: Dass die Grenzen zwischen sogenannten klassischen Schnitten und solchen für Jazz im Grunde überholt sind, zeigt nicht nur die Tatsache, dass ein so berühmter Saxophonist wie Eric Marienthal auf seine Metallmundstücke eben jene Vandoren Klassik-Blätter schnallt, von denen ich bereits oben gesprochen habe, und damit dennoch einen sehr modernen Saxophonsound erzeugt. Ich habe mit den V21 den Test gemacht, diese auf mein Brancher B27-Altmundstück geschnallt und siehe da: Auch diese Verbindung überzeugt mit einem satten, sehr runden und dennoch brillanten Sound. Ansprache, Intonation und nicht zuletzt auch die Lebensdauer sind nach längerem Test schlicht und ergreifend gut bis sehr gut zu bewerten.

Zu meinem Tenormundstück (Brancher E31) passen die entsprechenden Tenorblätter der V21-Serie jedoch nicht, denn hier wird es mir klanglich doch zu mittenbetont, doch wer auf einen typischen Jazzsound a la Otto Link steht, dürfte mit dieser Serie ein interessantes Produkt bekommen. Auf dem C* – derzeit wohl die Norm in Sachen klassisches Tenorsaxophon – stellt sich hingegen absolute Zufriedenheit ein, denn wiederum sind Ansprache, Grundsound und Nebengeräuschpegel (ein Rauschen ist im Pianissimo kaum wahrnehmbar) einfach verblüffend. Mit zahlreichen unterschiedlichen Markenblättern habe ich auf dem Tenor beim klassischen Spiel immer wieder Probleme in Sachen Klang und vor allem Kontrolle in den unteren Lagen bekommen, doch die sind mit dem V21 tatsächlich … vorbei!

Bleibt die Frage, ob Vandoren nun die „eierlegende Wollmilchsau“ erfunden, also ein Blatt, das in allen musikalischen Welten einfach gut bis hervorragend funktioniert, bis zur Serienreife entwickelt hat. Ich habe nach einem Monat Arbeit mit diesen Blättern den Eindruck, dass den umtriebigen Franzosen hier tatsächlich ein großer Coup gelungen ist. Die Zukunft und zahlreiche gespielte Blätter werden dies allerdings beweisen müssen, denn nicht zuletzt ist es ja die Qualität des verwendeten Holzes, das wesentlichen Einfluss auf den Klang hat. Ich bin da nach einigen Wochen mit V21-Blättern allerdings sehr optimistisch!